1. Nov. 2009 11:20APDBerlin

Deutsches Gesundheitswesen effektiver als in den USA

Berlin, 01.11.2009/APD "Im Vergleich mit anderen Staaten werden auch die Stärken unseres deutschen Gesundheitssystems deutlich, sodass es keinen Grund gibt, nur zu jammern." Zu diesem Ergebnis kam Professor Dr. Hans-Jochen Brauns vom "Network for Better Medical Care Berlin" (NBMC) anlässlich einer Podiumsdiskussion zum Thema " Gesundheitswesen und Krankenversorgung in Deutschland und in den USA". Die Veranstaltung fand im Rahmen der "Berliner Wirtschaftsgespräche" im Krankenhaus "Waldfriede" der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Berlin-Zehlendorf statt.

Brauns Gesprächspartner waren Bernd Quoß, Geschäftsführer von "Waldfriede", und Lars Houmann, Präsident der Florida Hospital-Kette, Orlando/USA, die mit 18 angeschlossenen Kliniken und einem Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro als zweitgrößte Krankenhauskette in den Vereinigten Staaten gilt. "Waldfriede" und die Florida Hospital-Kette sind seit März 2008 Kooperationspartner. Die Krankenhauskette gehört ebenfalls zum "Adventist Health System" der weltweiten Freikirche.

Quoß erläuterte, dass die von Reichskanzler Otto von Bismarck 1883 in Deutschland gegründete Krankenversicherung im Prinzip auch heute noch in ihrer Grundstruktur gelte. Sie beruhe auf dem Solidaritätsprinzip, sodass der Starke für den Schwachen, der Gesunde für den Kranken und der Reiche für den Armen finanziell aufkomme. 88 Prozent der Bundesbürger seien pflicht- und lediglich zehn Prozent privatversichert. Die Ein- und Ausgaben für das Gesundheitswesen wären gesetzlich geregelt, sodass die Ausgaben durch Kostendämpfungsgesetze relativ stabil blieben. Dass es dennoch zu finanziellen Problemen komme, liege an den seit acht Jahren rückläufigen Einnahmen. Sie hätten ihre Ursachen unter anderem in Arbeitslosigkeit, sinkenden Gehältern und geänderten Erwerbsbiografien, sodass Menschen erst später ins Berufsleben einstiegen und früher in Rente gingen. Auch das steigende Alter sei zu berücksichtigen. Etwa die Hälfte der Krankheitskosten eines Bundesbürgers entstünden ab dem 65. Lebensjahr.

"In den USA werden 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BiP) für die Gesundheit ausgegeben, in Deutschland nur 10,4 Prozent", betonte Quoß. Obwohl die Gesundheitsausgaben in den Vereinigten Staaten pro Kopf bei 5.613 Euro gegenüber 2.763 Euro in der Bundesrepublik lägen, sei der Versorgungsindex, der alle Leistungen beinhalte, in Deutschland mit 116 gegenüber 76 wesentlich besser. Höhere Gesundheitsausgaben würden auch nicht zu einer längeren Lebenserwartung führen. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern liege in den USA bei 75,4 und in Deutschland bei 77,2 Jahren. Ähnlich sei es bei Frauen mit 80,7 zu 82,4 Jahren. Bernd Quoß zog daher das Fazit: "Für das umfassende Leistungsangebot und das Versorgungsniveau in Deutschland sind die Gesundheitsausgaben im Vergleich zu den Vereinigten Staaten relativ gering."

Lars Houmann teilte mit, dass sich das amerikanische Gesundheitswesen im Wandel befinde. Dass die private Krankenversicherung in den USA heute eine so große Rolle spiele, liege daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Löhne durch den Gesetzgeber eingefroren worden seien. "Um gute Arbeitskräfte zu bekommen, übernahmen Firmen die Kosten für die Krankenversicherung ihrer Mitarbeiter. Das war erlaubt." So seien etwa 50 Prozent der US-Bürger durch ihre Arbeitgeber krankenversichert. Doch inzwischen könnten immer mehr Firmen die hohen Versicherungsbeiträge nicht mehr tragen. Ein Viertel der Bevölkerung sei über staatliche Programme krankenversichert, etwa Rentner und Behinderte über "Medicare" sowie Sozialhilfeempfänger über "Medicaid".

Wer nicht durch seinen Arbeitsgeber krankenversichert ist oder von "Medicare" beziehungsweise "Medicaid" versorgt wird, habe Probleme, die Versicherungsprämien aufzubringen. Daher seien 47 Millionen Amerikaner gar nicht und weitere 16 Millionen nur unzureichend versichert. Eine ernste Krankheit könne bei diesen Gruppen schnell zum finanziellen Ruin führen, erläuterte Houmann. Hier wolle nun die neue Regierung unter Präsident Barack Obama eingreifen und eine Pflichtversicherung einführen. Darüber werde jetzt in den USA heftig diskutiert. Es gehe dabei nicht nur um die Kosten, sondern auch um Befürchtungen, dass der Staat zu sehr in das Gesundheitswesen eingreife und bisher gewährte Leistungen beschneiden wolle.

In den USA würde der freie Markt entscheiden, was eine Operation koste. Jedes Krankenhaus müsste mit jeder Krankenversicherung eigene Verhandlungen führen. Das sei sehr aufwändig und erfordere mehr Verwaltungspersonal als in Deutschland. Houmann würde sich daher schon ein gewisses Eingreifen des Staates bei Ein- und Ausgaben für das Gesundheitswesen wünschen. Zum Schluss übergab er als Zeichen einer guten Kooperation Bernd Quoß ein neues Gastro- und Endoskopiegerät zur Magen- und Darmspiegelung für das Krankenhaus "Waldfriede".

Das Akutkrankenhaus "Waldfriede" ist akademisches Lehrkrankenhaus der Charité-Universitätsmedizin Berlin und europäisches Ausbildungszentrum für Operationstechniken in der Koloproktologie. Jährlich werden etwa 9.000 Patienten stationär und 12.000 ambulant behandelt. Seit der Gründung des Krankenhauses im Jahr 1920 orientiere sich laut Quoß das medizinische Handeln "an ganzheitlichen Präventions- und Therapiekonzepten zum Wohl der gesamten Menschheit. Lange bevor der Gesetzgeber Strukturen im Gesundheitswesen änderte, hat sich Waldfriede mit einem Netzwerk von Einrichtungen zu einem Gesundheitshaus entwickelt." Unter anderem gehörten dazu ein ambulanter häuslicher Pflegedienst, Kurzzeitpflegestationen, eine Krankenpflegeschule, das Projekt Babyklappe für Mütter in Not, eine Kindertagesstätte mit einem Familienzentrum und ein Schwimmbad.
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Der Text kann kostenlos genutzt werden. Veröffentlichung nur mit Quellenangabe "APD" gestattet!

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