11. Juli 2008 09:06APDKarlsruhe
EKD-Ratsvorsitzender Bischof Huber: "Religionsfreiheit gilt für alle"
Karlsruhe, 11.07.2008/APD "Die Religionsneutralität des Staates dient dazu, die volle Religionsfreiheit verfassungsrechtlich zu sichern. Ein religiös gebundener Staat, der sich einer Religion gegenüber in besonderer Weise verpflichtet weiß, läuft dagegen Gefahr, diese gegenüber anderen Religionen in seinem Staatsgebiet zu privilegieren." Darauf hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, beim Jahresempfang der badischen Bischöfe für die Bundesgerichte am 10. Juli in Karlsruhe hingewiesen. Es wäre aber ein Missverständnis von staatlicher Religionsneutralität, daraus eine Gleichgültigkeit des Staates gegenüber dem Wirken der Religionsgemeinschaften abzuleiten, so Huber. Vielmehr gebe es eine Pflicht des Staates, die Religion als Bestimmungskraft für das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger wahrzunehmen und sie ohne falsche Parteinahme zu fördern.
Der EKD-Ratsvorsitzende unterstrich in seiner Rede die Bedeutung der Religionsgemeinschaften im öffentlichen Diskurs. Staat und Gesellschaft seien auf Akteure angewiesen, die nicht nur ihr Eigeninteresse vertreten, sondern "den Sprachlosen eine Stimme verleihen". In Deutschland gebe die Verfassung den Kirchen und Religionsgemeinschaften den notwendigen Raum, in der Öffentlichkeit zu wirken. Die Grundmarkierungen der deutschen Verhältnisbestimmung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften enthielten die Erwartung in sich, dass die Kirchen sich aktiv in die Willensbildung der Gesellschaft einbringen und dass sie ihren Beitrag in Gesellschaft, Bildung, Medien, Wissenschaft, Kultur und Diakonie leisten.
Huber wies darauf hin, dass die korporative Religionsfreiheit für alle Religionen gelte. Es sei hervorzuheben, dass das Grundgesetz "nicht in einer ausschließenden Weise die christlichen Kirchen privilegiert, sondern ihrer grundsätzlichen Absicht nach alle religiösen Überzeugungen und alle Religionsgemeinschaften gleich behandelt", betonte der Ratsvorsitzende.
Die deutsche Verfassungsordnung sei offen dafür, dass auch andere Religionen von diesen Möglichkeiten der korporativen Religionsfreiheit Gebrauch machen. "Sie können dabei auch den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen." Das gelte auch für den Islam. Doch ob sich eine Religion aus ihrem Selbstverständnis heraus korporativer Gestaltungsmöglichkeiten bedient, liege in ihrer eigenen Verantwortung. "Sie kann in diesem Prozess unterstützt werden; ihr die Verantwortung für die Wahrnehmung solcher Gestaltungsmöglichkeiten abzunehmen, wäre jedoch mit der vorausgesetzten Freiheit der Religion nicht vereinbar." Es entspreche dem Kern des christlichen Glaubens, die Menschenwürde, die Menschenrechte und damit die Religionsfreiheit auch Menschen anderen Glaubens zuzuerkennen, stellte Huber fest. "Deshalb respektieren die christlichen Kirchen das Existenzrecht anderer Religionen, einschließlich ihres Anspruchs auf ein Wirken in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit."
Bei der Mit-Gestaltung des öffentlichen Raumes müsse in einer pluralen Gesellschaft jedoch auf Alleinvertretungsansprüche verzichtet werden. "Die offene Gesellschaft westlicher Prägung birgt eine Vielfalt von Lebensvorstellungen, Weltanschauungen und Religionen in sich, deren Beziehungen zueinander in einem Prozess gesellschaftlicher Auseinandersetzung und Verständigung auf der Grundlage gegenseitiger Toleranz gestaltet werden müssen." Toleranz meine dabei nicht, alles für richtig zu halten. "Religiöse Toleranz in einem ernsthaften Sinn meint das Aushalten und Austragen von Differenzen in Anerkennung der Verbindlichkeit von religiösen Überzeugungen. Eine freiheitliche Gesellschaft, in der religiöse Überzeugungen ernst genommen werden, braucht eine wache, selbstbewusste Toleranz, die den Dialog einfordert, um gemeinsam Antworten auf die für alle wichtigen Fragen zu suchen."
Bischof Wolfgang Huber erinnerte daran, dass die Verwirklichung der Religionsfreiheit als Menschenrecht weltweit heute eine unaufgebbare Forderung und auch ein Anliegen der beiden großen Kirchen in Deutschland sei. Die Bejahung der individuellen wie der kollektiven, der negativen wie der positiven Religionsfreiheit sei eines der entscheidenden Ergebnisse des geistesgeschichtlichen Prozesses, zu dem die Reformation ihren besonderen Beitrag geleistet habe.
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Der Text kann kostenlos genutzt werden. Veröffentlichung nur mit Quellenangabe "APD" gestattet!
Karlsruhe, 11.07.2008/APD "Die Religionsneutralität des Staates dient dazu, die volle Religionsfreiheit verfassungsrechtlich zu sichern. Ein religiös gebundener Staat, der sich einer Religion gegenüber in besonderer Weise verpflichtet weiß, läuft dagegen Gefahr, diese gegenüber anderen Religionen in seinem Staatsgebiet zu privilegieren." Darauf hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, beim Jahresempfang der badischen Bischöfe für die Bundesgerichte am 10. Juli in Karlsruhe hingewiesen. Es wäre aber ein Missverständnis von staatlicher Religionsneutralität, daraus eine Gleichgültigkeit des Staates gegenüber dem Wirken der Religionsgemeinschaften abzuleiten, so Huber. Vielmehr gebe es eine Pflicht des Staates, die Religion als Bestimmungskraft für das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger wahrzunehmen und sie ohne falsche Parteinahme zu fördern.
Der EKD-Ratsvorsitzende unterstrich in seiner Rede die Bedeutung der Religionsgemeinschaften im öffentlichen Diskurs. Staat und Gesellschaft seien auf Akteure angewiesen, die nicht nur ihr Eigeninteresse vertreten, sondern "den Sprachlosen eine Stimme verleihen". In Deutschland gebe die Verfassung den Kirchen und Religionsgemeinschaften den notwendigen Raum, in der Öffentlichkeit zu wirken. Die Grundmarkierungen der deutschen Verhältnisbestimmung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften enthielten die Erwartung in sich, dass die Kirchen sich aktiv in die Willensbildung der Gesellschaft einbringen und dass sie ihren Beitrag in Gesellschaft, Bildung, Medien, Wissenschaft, Kultur und Diakonie leisten.
Huber wies darauf hin, dass die korporative Religionsfreiheit für alle Religionen gelte. Es sei hervorzuheben, dass das Grundgesetz "nicht in einer ausschließenden Weise die christlichen Kirchen privilegiert, sondern ihrer grundsätzlichen Absicht nach alle religiösen Überzeugungen und alle Religionsgemeinschaften gleich behandelt", betonte der Ratsvorsitzende.
Die deutsche Verfassungsordnung sei offen dafür, dass auch andere Religionen von diesen Möglichkeiten der korporativen Religionsfreiheit Gebrauch machen. "Sie können dabei auch den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen." Das gelte auch für den Islam. Doch ob sich eine Religion aus ihrem Selbstverständnis heraus korporativer Gestaltungsmöglichkeiten bedient, liege in ihrer eigenen Verantwortung. "Sie kann in diesem Prozess unterstützt werden; ihr die Verantwortung für die Wahrnehmung solcher Gestaltungsmöglichkeiten abzunehmen, wäre jedoch mit der vorausgesetzten Freiheit der Religion nicht vereinbar." Es entspreche dem Kern des christlichen Glaubens, die Menschenwürde, die Menschenrechte und damit die Religionsfreiheit auch Menschen anderen Glaubens zuzuerkennen, stellte Huber fest. "Deshalb respektieren die christlichen Kirchen das Existenzrecht anderer Religionen, einschließlich ihres Anspruchs auf ein Wirken in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit."
Bei der Mit-Gestaltung des öffentlichen Raumes müsse in einer pluralen Gesellschaft jedoch auf Alleinvertretungsansprüche verzichtet werden. "Die offene Gesellschaft westlicher Prägung birgt eine Vielfalt von Lebensvorstellungen, Weltanschauungen und Religionen in sich, deren Beziehungen zueinander in einem Prozess gesellschaftlicher Auseinandersetzung und Verständigung auf der Grundlage gegenseitiger Toleranz gestaltet werden müssen." Toleranz meine dabei nicht, alles für richtig zu halten. "Religiöse Toleranz in einem ernsthaften Sinn meint das Aushalten und Austragen von Differenzen in Anerkennung der Verbindlichkeit von religiösen Überzeugungen. Eine freiheitliche Gesellschaft, in der religiöse Überzeugungen ernst genommen werden, braucht eine wache, selbstbewusste Toleranz, die den Dialog einfordert, um gemeinsam Antworten auf die für alle wichtigen Fragen zu suchen."
Bischof Wolfgang Huber erinnerte daran, dass die Verwirklichung der Religionsfreiheit als Menschenrecht weltweit heute eine unaufgebbare Forderung und auch ein Anliegen der beiden großen Kirchen in Deutschland sei. Die Bejahung der individuellen wie der kollektiven, der negativen wie der positiven Religionsfreiheit sei eines der entscheidenden Ergebnisse des geistesgeschichtlichen Prozesses, zu dem die Reformation ihren besonderen Beitrag geleistet habe.
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