Friedensverbände fordern Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine und in Russland
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3. Jan. 2024 10:21APDBonn

Friedensverbände fordern Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine und in Russland

Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. äußern sich sehr besorgt über die anhaltenden Schikanen gegen Friedensaktivisten und Kriegsdienstverweigerer in der Ukraine und in Russland, einschließlich willkürlicher Verfolgungen und ungerechter Urteile. Sie fordern, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu schützen, gerade auch in Kriegszeiten.

Recht auf Kriegsdienstverweigerung Bedingung für EU-Beitritt der Ukraine

Laut der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) fordern die vier Organisationen, dass in der Ukraine alle Anklagen gegen Friedensaktivisten und Kriegsdienstverweigerer zurückgenommen werden. Die Inhaftierten seien sofort und bedingungslos freizulassen, da es sich eindeutig um Gewissensgefangene handele. Darüber hinaus solle das neue Gesetz über die Militärdienstpflicht Bestimmungen zur vollen Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung enthalten.

Die Europäische Union (EU) müsse dafür sorgen, dass die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, das in Zeiten des durch die russische Aggression verursachten nationalen Notstandes einen wichtigen Schutz der demokratischen Werte und Grundsätze darstelle, bei den anstehenden Verhandlungen über den Beitritt der Ukraine zur EU als notwendige Bedingung angesehen wird. Die Friedensverbände weisen darauf hin, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der EU-Charta der Grundrechte (Art. 10: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) verankert ist.

Bestrafung von Kriegsdienstverweigerern in der Ukraine

Die Friedensverbände machen an fünf Fällen deutlich, dass die Ukraine nicht davor zurückschrecke, selbst die offensichtlichsten Kriegsdienstverweigerer zu verfolgen und zu drakonischen Haftstrafen zu verurteilen:

 ·         So verbüße der Siebenten-Tags-Adventist und Kriegsdienstverweigerer Dmytro Zelinsky derzeit eine dreijährige Haftstrafe. Der 45-Jährige wurde im Juni 2023 freigesprochen, doch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Am 28. August 2023 hob das Berufungsgericht in Ternopil den Freispruch auf. Es gab dem Antrag des Staatsanwalts Roman Harmatiuk statt und verurteilte Zelinsky zu einer dreijährigen Haftstrafe, die sofort in Kraft trat. Zelinsky bereite ein Berufungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof in Kiew vor. Siehe auch APD-Meldung vom 10.11.2023: https://www.apd.info/news/2023/11/10/ukraine-adventist-zu-drei-jahren-gefangnis-wegen-kriegsdienstverweigerung-verurteilt

 ·         Der christliche Kriegsdienstverweigerer Andrii Vyshnevetsky diene trotz seiner erklärten Kriegsdienstverweigerung und seines Antrags auf Entlassung aus der Armee weiterhin in einer Fronteinheit der ukrainischen Streitkräfte. Er habe Klage eingereicht, in der er den Obersten Gerichtshof auffordere, Präsident Zelensky anzuweisen, ein Verfahren für die Entlassung aus dem Militärdienst aufzunehmen. Am 25. September 2023 wies der Oberste Gerichtshof diese Klage ab. Die Ukrainische Pazifistische Bewegung habe bei der Großen Kammer des Obersten Gerichtshofs Berufung eingelegt. Die Verkündung des endgültigen Urteils werde für den 25. Januar 2024 erwartet.

 ·         In einem vom Obersten Gerichtshof am 13. Dezember 2023 angeordneten Wiederaufnahmeverfahren verurteilte das Stadtgericht von Iwano-Frankiwsk den protestantischen Christen und Kriegsdienstverweigerer Vitaly Alekseyenko zu einer dreijährigen Haftstrafe (auf ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt). Sie ersetze die ursprüngliche Strafe von einem Jahr Haft, von der er zwischen seiner ersten Verurteilung und der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Mai 2023 drei Monate verbüßt habe. Vitaly werde Berufung einlegen und Freispruch beantragen.

 ·         Der christliche Pazifist Mykhailo Yavorsky wurde am 6. April 2023 vom Stadtgericht Iwano-Frankiwsk zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er am 25. Juli 2022 aus religiösen Gründen die Einberufung zum Militär verweigerte. Er legte Berufung beim Berufungsgericht Iwano-Frankiwsk ein, das am 2. Oktober das Urteil von einer einjährigen Haftstrafe in eine dreijährige Bewährungsstrafe mit einem Jahr Bewährung umwandelte. Die Gerichte der ersten und der Berufungsinstanz hätten festgestellt, dass Yaworsky tiefe und aufrichtige religiöse Überzeugungen vertrete, die mit dem Militärdienst unvereinbar wären. Das hätte nach Artikel 35 der ukrainischen Verfassung zur Befreiung vom Militärdienst führen müssen, sei jedoch nur als mildernder Umstand gewertet worden. Yaworsky bereite nun eine Kassationsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof vor.

 ·         Gegen den Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, Yurii Sheliazhenko, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eingeleitet, die russische Aggression zu rechtfertigen. Sheliazhenkos Wohnung wurde am 3. August 2023 durchsucht. Sein Computer und sein Smartphone wurden beschlagnahmt. Beide Geräte habe er trotz einer Anordnung des Gerichts in Solomiansky nicht zurück erhalten. Seit 15. August befinde er sich im nächtlichen Hausarrest. Jüngste Dokumente, die im Rahmen der Ermittlungen veröffentlicht wurden, deuteten darauf hin, dass Sheliazhenko wegen Behinderung „legaler“ Aktivitäten der ukrainischen Streitkräfte angeklagt werden könnte, weil er für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung eintritt. Derartige Anschuldigungen könnten strengere Einschränkungen und härtere Strafen nach sich ziehen, etwa eine Freiheitsstrafe von fünf bis acht Jahren. Die Friedensverbände weisen darauf hin, dass die Ukraine die Resolution 51/6 des UN-Menschenrechtsrates vom 2. Oktober 2022 über Kriegsdienstverweigerung mitgetragen habe, in der die Staaten unter anderem aufgefordert werden, „die Meinungsfreiheit derjenigen zu schützen, die für die Kriegsdienstverweigerung eintreten“.

 Besorgnis über neues Mobilisierungsgesetz in der Ukraine

Die vier Friedensverbände fordern die Ukraine auf, die Aussetzung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung unverzüglich rückgängig zu machen, den aus Gewissensgründen inhaftierten Dmytro Zelinsky freizulassen, Andrii Vyshnevetsky ehrenhaft zu entlassen, Vitaly Alekseenko und Mykhailo Yavorsky freizusprechen und die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko fallen zu lassen. Sie fordern die Ukraine außerdem auf, das Ausreiseverbot für alle Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren aufzuheben. Auch sollten andere Praktiken zur Durchsetzung der Militärdienstpflicht beseitigt werden, die mit den Menschenrechtsverpflichtungen der Ukraine unvereinbar seien, einschließlich der willkürlichen Inhaftierung von Militärdienstpflichtigen und der Auferlegung der militärischen Registrierung als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit jeglicher ziviler Handlungen wie Ausbildung, Beschäftigung, Heirat, Sozialversicherung und Registrierung des Wohnorts. Die Verbände seien sehr besorgt über das Mobilisierungsgesetz Nr. 10378 vom 25.12.2023, das schwere Strafen für „Militärdienstentzieher“, ohne Ausnahmen für Kriegsdienstverweigerer, vorsehe.

Russische Regierung soll Kriegsdienstverweigerer freilassen

Die Friedensverbände fordern auch Russland auf, unverzüglich und bedingungslos alle Soldaten und mobilisierten Zivilisten freizulassen, die sich weigern, am Krieg teilzunehmen, und die illegal in einer Reihe von Zentren in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine festgehalten würden. Berichten zufolge setzten die russischen Behörden Drohungen, psychologischen Missbrauch und Folter ein, um die Inhaftierten zur Rückkehr an die Front zu zwingen.

Recht auf Kriegsdienstverweigerung auch in Kriegszeiten schützen

Zudem werden sowohl Russland als auch die Ukraine aufgefordert, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu schützen, gerade auch in Kriegszeiten, und dabei die europäischen und internationalen Standards, unter anderem die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, vollständig einzuhalten. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung sei Teil des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR, Zivilpakt) der UNO garantiert werde und das gemäß Artikel 4 Absatz 2 des Pakts auch in Zeiten des öffentlichen Notstands unantastbar sei.

Scharfe Verurteilung der russischen Invasion

Die genannten Friedensverbände verurteilten die russische Invasion in der Ukraine aufs Schärfste und rufen alle Soldaten auf, sich nicht an den Feindseligkeiten zu beteiligen, sowie alle Rekruten, den Militärdienst zu verweigern. Sie verurteilten alle Fälle von Zwangsrekrutierung und gewaltsamer Rekrutierung in den Armeen beider Seiten sowie alle Fälle von Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren sowie gewaltlosen Kriegsgegnern und -gegnerinnen. Sie fordern auch die Europäische Union auf, sich für den Frieden einzusetzen, in Diplomatie und Verhandlungen zu investieren, den Schutz der Menschenrechte einzufordern sowie den Kriegsgegnern und -gegnerinnen Asyl und Visa zu gewähren.

Informationen zu den Friedensverbänden:

Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO)

War Resisters’ International (WRI)

Internationale Versöhnungsbund (IFOR)

Connection e.V.

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