29. Nov. 2007 16:41APDBonn
Missachtung der Religionsfreiheit im türkischen Malatya-Prozess
Bonn, 29.11.2007/APD Eine weitere Einschüchterung und Gefährdung von Türken, die am christlichen Glauben interessiert seien, befürchtet Ron Kubsch, Redakteur des Institut für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz, durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft im Prozess um die drei am 18. April 2007 ermordeten Mitarbeiter des christlichen Zirve-Verlages in Malatya.
Bereits vor dem ersten Verhandlungstag am 23. November hätte Orhan Kemal Cengiz, einer der Anwälte der Hinterbliebenen, bedauert, dass sich von den 31 Aktenordnern allein 16 nicht mit den Tätern, sondern ausgiebig mit den missionarischen Aktivitäten der Opfer und anderer protestantischer Christen im Land beschäftigten. So habe der Staatsanwalt beispielsweise sämtliche ausführliche Informationen von den Festplatten der Computer der Mordopfer über einzelne Interessenten am Christentum mit ihren Namen und Adressen in die Prozessakten aufgenommen. Dagegen seien wesentliche Fragen nach dem Beziehungsnetzwerk der Täter, ihren Unterstützern und der Wirkung provozierender Publikationen örtlicher Zeitungen unberücksichtigt geblieben, so Kubsch.
Briefe der Täter an ihre Familien und Bekannte hätten verdeutlicht, dass die Täter ihr Verbrechen als Opfer für das Heimatland verständen und sich dafür anerkannt wissen wollten. Für Cengiz hat der zunächst auf den 14. Januar vertagte Prozess wegweisende Bedeutung für die Zukunft des Landes, in dem selbst offizielle Vertreter des Staates christliche Missionare noch immer als „Feinde mitten im Land“ und „Agenten fremder Staaten“ darstellten und dadurch ähnliche Vorfälle wie in Malatya begünstigten.
Sorgen um die Lage der Religions- und Meinungsfreiheit in der Türkei löse auch der am 29. November 2007, fortgesetzte Prozess gegen Hakan Tastan und Turan Topal aus. Den beiden türkischen Christen drohten wegen Herabsetzung der türkischen Identität nach Artikel 301/1 der türkischen Strafgesetzgebung, wegen Missionierung Minderjähriger, Beleidigung des Islam (Artikel 216/1) und unerlaubten Sammelns vertraulicher Informationen von Staatsbürgern (Artikel 135/1) bis zu neun Jahren Haft. In der Presse warf man den beiden zudem Frauenhandel, Waffenbesitz und Kooperation mit Terroristen vor. Die beiden Angeklagten wiesen bereits in den ersten Verhandlungen diese Vorwürfe empört zurück. Sie bezeichneten sich als Patrioten und bekannten sich zugleich zum christlichen Glauben. Da der Begriff „Evangelium“ gute Nachricht bedeute, wollten sie das Neue Testament an Menschen weitergeben, die sich dafür interessierten. Auch in diesem Fall beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen 5.000 Adressen von interessierten Muslimen und gab leicht anonymisierte Beispiele zur Abschreckung an die Medien weiter.
Der neueste Türkei-Entwicklungs-Bericht der Europäischen Union vom 6. November hatte ausdrücklich festgestellt, dass sich die Situation für Nichtmuslime nicht verbessert habe. Vor allem die Religionsfreiheit sei unzureichend. In den Personalausweisen werde weiterhin die Religionszugehörigkeit verzeichnet. Ein auf Antrag leer bleibendes Feld könne zu Diskriminierungen führen. Zudem würden christliche Missionare in den Medien und von staatlichen Stellen als Bedrohung der türkischen Integrität dargestellt, nichtmuslimischen Vereinigungen bleibe die öffentliche Anerkennung weiterhin versagt und ihr Besitz werde nicht selten staatlich enteignet.
Hassreden gegen Nichtmuslime blieben unbestraft. Bauvorhaben würden häufig verzögert oder ganz einfach blockiert. Christliche Gemeinden könnten außerdem ihre bestehenden Gottesdiensträumlichkeiten nicht als solche im Stadtbebauungsplan anmelden, so dass sie als illegal jederzeit durch polizeiliche Anordnung geschlossen werden könnten.
Das Institut für Islamfragen, eine ständige Einrichtung der Deutschen Evangelischen Allianz möchte, nach eigenen Angaben, der theologischen und gesellschaftspolitischen „Herausforderung Islam“ in Europa durch Information und Aufklärung begegnen.
Bei Gründung des Islaminstituts im Jahr 1999 stand der Gedanke im Vordergrund, das „Feld“ der Information zum Thema Islam nicht nur muslimischen Organisationen zu überlassen, sondern auch aus christlich-evangelikaler Perspektive einen Beitrag zur gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatte zu leisten.
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Der Text kann kostenlos genutzt werden. Veröffentlichung nur mit Quellenangabe „APD" gestattet!
Bonn, 29.11.2007/APD Eine weitere Einschüchterung und Gefährdung von Türken, die am christlichen Glauben interessiert seien, befürchtet Ron Kubsch, Redakteur des Institut für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz, durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft im Prozess um die drei am 18. April 2007 ermordeten Mitarbeiter des christlichen Zirve-Verlages in Malatya.
Bereits vor dem ersten Verhandlungstag am 23. November hätte Orhan Kemal Cengiz, einer der Anwälte der Hinterbliebenen, bedauert, dass sich von den 31 Aktenordnern allein 16 nicht mit den Tätern, sondern ausgiebig mit den missionarischen Aktivitäten der Opfer und anderer protestantischer Christen im Land beschäftigten. So habe der Staatsanwalt beispielsweise sämtliche ausführliche Informationen von den Festplatten der Computer der Mordopfer über einzelne Interessenten am Christentum mit ihren Namen und Adressen in die Prozessakten aufgenommen. Dagegen seien wesentliche Fragen nach dem Beziehungsnetzwerk der Täter, ihren Unterstützern und der Wirkung provozierender Publikationen örtlicher Zeitungen unberücksichtigt geblieben, so Kubsch.
Briefe der Täter an ihre Familien und Bekannte hätten verdeutlicht, dass die Täter ihr Verbrechen als Opfer für das Heimatland verständen und sich dafür anerkannt wissen wollten. Für Cengiz hat der zunächst auf den 14. Januar vertagte Prozess wegweisende Bedeutung für die Zukunft des Landes, in dem selbst offizielle Vertreter des Staates christliche Missionare noch immer als „Feinde mitten im Land“ und „Agenten fremder Staaten“ darstellten und dadurch ähnliche Vorfälle wie in Malatya begünstigten.
Sorgen um die Lage der Religions- und Meinungsfreiheit in der Türkei löse auch der am 29. November 2007, fortgesetzte Prozess gegen Hakan Tastan und Turan Topal aus. Den beiden türkischen Christen drohten wegen Herabsetzung der türkischen Identität nach Artikel 301/1 der türkischen Strafgesetzgebung, wegen Missionierung Minderjähriger, Beleidigung des Islam (Artikel 216/1) und unerlaubten Sammelns vertraulicher Informationen von Staatsbürgern (Artikel 135/1) bis zu neun Jahren Haft. In der Presse warf man den beiden zudem Frauenhandel, Waffenbesitz und Kooperation mit Terroristen vor. Die beiden Angeklagten wiesen bereits in den ersten Verhandlungen diese Vorwürfe empört zurück. Sie bezeichneten sich als Patrioten und bekannten sich zugleich zum christlichen Glauben. Da der Begriff „Evangelium“ gute Nachricht bedeute, wollten sie das Neue Testament an Menschen weitergeben, die sich dafür interessierten. Auch in diesem Fall beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen 5.000 Adressen von interessierten Muslimen und gab leicht anonymisierte Beispiele zur Abschreckung an die Medien weiter.
Der neueste Türkei-Entwicklungs-Bericht der Europäischen Union vom 6. November hatte ausdrücklich festgestellt, dass sich die Situation für Nichtmuslime nicht verbessert habe. Vor allem die Religionsfreiheit sei unzureichend. In den Personalausweisen werde weiterhin die Religionszugehörigkeit verzeichnet. Ein auf Antrag leer bleibendes Feld könne zu Diskriminierungen führen. Zudem würden christliche Missionare in den Medien und von staatlichen Stellen als Bedrohung der türkischen Integrität dargestellt, nichtmuslimischen Vereinigungen bleibe die öffentliche Anerkennung weiterhin versagt und ihr Besitz werde nicht selten staatlich enteignet.
Hassreden gegen Nichtmuslime blieben unbestraft. Bauvorhaben würden häufig verzögert oder ganz einfach blockiert. Christliche Gemeinden könnten außerdem ihre bestehenden Gottesdiensträumlichkeiten nicht als solche im Stadtbebauungsplan anmelden, so dass sie als illegal jederzeit durch polizeiliche Anordnung geschlossen werden könnten.
Das Institut für Islamfragen, eine ständige Einrichtung der Deutschen Evangelischen Allianz möchte, nach eigenen Angaben, der theologischen und gesellschaftspolitischen „Herausforderung Islam“ in Europa durch Information und Aufklärung begegnen.
Bei Gründung des Islaminstituts im Jahr 1999 stand der Gedanke im Vordergrund, das „Feld“ der Information zum Thema Islam nicht nur muslimischen Organisationen zu überlassen, sondern auch aus christlich-evangelikaler Perspektive einen Beitrag zur gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatte zu leisten.
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