12. Sep. 2007 18:14APD
„Was Adventisten glauben“
„Für manche gelten sie noch als Sekte, für andere sind sie eine evangelische Freikirche: die Siebenten-Tags-Adventisten." Mit diesen Worten weist die Redaktion der Zeitschrift „idea-Spektrum" am 5. September auf das „Thema der Woche" hin: „Was Adventisten glauben." „idea" versteht sich als evangelische Nachrichtenagentur auf der theologischen Basis der Evangelischen Allianz. Das „Thema der Woche" wird in Form eines dreiseitigen Interviews mit Pastor Klaus van Treeck, Präsident der Freikirche in Nord- und Ostdeutschland (Norddeutscher Verband, Hannover) und derzeitiger Vorsitzender der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, behandelt (Seite 19-21). Im Vorwort zum Interview werden als „Kennzeichen" der Adventisten das Halten des Sabbats, die Beachtung bestimmter Speisegebote (kein Alkohol, kein Schweinefleisch) sowie die Erwartung der nahen Wiederkunft Jesu genannt. Gerade die Fragen zum Lebensstil scheinen den idea-Reporter Karsten Huhn (und/oder die idea-Leser) besonders zu bewegen. Von den 37 gestellten Fragen befassen sich neun mit Kaffee und Alkohol, Schweinefleisch und dem Rauchen. Aus meiner Sicht ist es bedauerlich, dass Lebensstilelemente, die selbst außerhalb der christlichen Welt immer „normaler" werden (Alkoholabstinenz, Nichtrauchen, gesunde Ernährung), innerhalb der christlich-evangelikalen Welt mit dem Etikett „Speisegebote" versehen werden. Es werden sogar Bibelstellen wie 1. Timotheus 4,3 bemüht, um diese Dinge als mögliche Kennzeichen einer Sekte zu identifizieren.
Beim Thema Sabbat (vier Fragen) kontert der Interviewte auf die Frage „Muss ein Christ den Sabbat halten?" mit der Gegenfrage: „Muss ein Christ die anderen neun Gebote halten?". Er fügt hinzu: „Jeder Christ lebt allein aus der Gnade und hält die Gebote Gottes aus Liebe zu Gott. So ist es auch mit dem Sabbat." Auf das Argument „Fast alle Christen feiern den Sonntag als Ruhetag", erwidert Pastor van Treeck: „Ich glaube, dass es viele Christen gibt, die den Segen des Sabbathaltens noch nicht erlebt haben und sich deshalb der Bedeutung des Sabbats noch nicht bewusst sind. Allerdings macht das Halten des Sabbats niemanden zu einem besseren Christen!"
Geht man davon aus, dass diese „Beschäftigung" mit den Adventisten im Zusammenhang mit den Gesprächen zwischen der Weltweiten Evangelischen Allianz und der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten steht, dann wundert es nicht, dass die meisten Fragen (18) den Fokus auf eine Person und deren Autorität innerhalb der Freikirche legen, nämlich auf deren Mitbegründerin Ellen G. White (1827-1915). Der Interviewer fragt, ob Frau White nicht „ein schwieriges Erbe" für die Adventisten sei. Dazu Klaus van Treeck: „Es kommt darauf an, welches Inspirationsverständnis man von ihren Schriften hat und welchen Stellenwert man ihnen beimisst. Ja, sie können dazu benutzt werden, extreme, unausgewogene Positionen zu belegen. Das geschieht innerhalb und außerhalb unserer Kirche immer wieder. Aus meiner Erfahrung führt Ellen G. White ihre Leser aber zum Studium der Bibel. Zugleich hat sie aber auch Schwächen und Fehler gehabt."
Gegen Schluss des Interviews hakt idea-Reporter Karsten Huhn nach: „Mir scheint, dass Sie hin- und hergerissen sind, ob Sie Ellen G. White nun verehren oder sich von ihr distanzieren sollen." In dieser Frage kommt zum dritten Mal der Begriff „verehren" vor. In der Einleitung und in der Bildunterschrift zum Foto von Ellen G. White heißt es, viele Adventisten würden sie als Prophetin verehren. Hier wird ein Begriff gebraucht, der mir im Zusammenhang mit der (katholischen) Marienverehrung sehr geläufig ist, den ich aber in den über 40 Jahren meines Adventist-Seins noch nie auf Ellen G. White bezogen gelesen oder gehört habe. Die Antwort von Klaus van Treeck macht deutlich, dass nicht die Person Ellen G. White ein Problem darstellt, sondern der Umgang mit ihrem Schrifttum: „Als Freikirche stehen wir in der Spannung, sie als Prophetin zu überhöhen und ihre Werke zu missbrauchen. Oder sie abzulehnen und sie als Teil unserer Geschichte abzuhaken. Ich glaube unsere Aufgabe ist es, ihren Dienst als geistlichen Gewinn zu sehen, ohne sie zu überhöhen oder nur in die Vergangenheit zu verbannen. Wir müssen uns kritisch mit ihr auseinander setzen."
Gerade um dieser Gefahr des Missbrauchs vorzubeugen, aber auch um die Relevanz vieler ihrer Aussagen zu verdeutlichen, hat einer der führenden adventistischen Theologen, Dr. George R. Knight (Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Andrews-Universität in Berrien Springs, Michigan/USA), vier Bücher geschrieben, die als zweibändige Ausgabe im Deutschen erschienen sind: „Ellen White lesen und verstehen" (1998) sowie „Ellen Whites Leben und Welt" (2001).
Obwohl ich mich darüber freue, dass „idea-spektrum" die Adventisten zum „Thema der Woche" gemacht hat, bin ich nicht nur über die Gewichtung der gestellten Fragen (siehe oben) enttäuscht, sondern auch darüber, dass die durch die Titelseite geweckten Erwartungen nicht erfüllt werden. „Was Adventisten glauben" heißt der Aufmacher, doch im Interview fehlt Entscheidendes. Beispielsweise kam das Thema Wiederkunft Jesu viel zu kurz. Und der Untertitel, „Alles über Sabbat, Endzeit, Gesundheit, Prophetie", ist eindeutig zu hoch gegriffen. Ein Grundsatzbeitrag (von wem auch immer) wäre sehr hilfreich gewesen, um Wesentliches zu den genannten Stichworten und anderen relevanten Themen zu verdeutlichen.
Schade auch, dass nicht einmal eine Kontakt- oder Internetadresse (wie www.adventisten.de) genannt wird für alle, die sich ein umfassenderes Bild machen wollen. Nicht einmal ein Literaturhinweis ist enthalten, dabei liegt die 142-seitige Selbstdarstellung der Siebenten-Tags-Adventisten „Christsein heute – Gelebter Glaube" (siehe auch www.christsein-heute.info) seit Mai dieses Jahres der idea-Redaktion in Wetzlar vor.
Nicht dem „Thema der Woche" zugeordnet und von der Meldung über Pornographie unter Christen fast erdrückt, erscheint in der selben Ausgabe auf Seite 14 die Meldung „Evangelische Allianz und Adventisten nähern sich" – höchstwahrscheinlich der Auslöser für das oben besprochene Interview. Bei den Konsultationen zwischen der Weltweiten Evangelischen Allianz und der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten in Prag (2006) und Berrien Springs, Michigan/USA, (August 2007) wurde „ein hohes Maß an theologischer Übereinstimmung" festgestellt.
Dennoch scheint es auch weiterhin notwendig, Ängste abzubauen und Missverständnisse zu klären. Trotz der in Prag und Berrien Springs geführten Gespräche zeigt nicht nur die Fragestellung beim idea-Interview, dass noch ein Weg zurückzulegen ist, um zu einer Begegnung „auf Augenhöhe" zu gelangen. Das kann nur durch Gespräche geschehen, aber auch durch die Zusammenarbeit da, wo sich diese für beide Seiten als segensreich erweist, wie beispielsweise im verlegerischen Bereich. Ellen G. White schrieb, dass Adventisten viel zu lernen und auch viel zu verlernen, also umzudenken und zu revidieren, haben. Ich bin gern dazu bereit und freue mich über jeden Mitchristen, der sich ebenfalls als Lernender begreift.
Elí Diez-Prida
(Hinweis der Redaktion: Pastor Elí Diez-Prida ist der Leiter des Advent-Verlags in Lüneburg.)
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Alle Texte können kostenlos genutzt werden. Bei Veröffentlichung der Texte bitten wir um Quellenangabe „APD" und um Zusendung eines Belegexemplars.
„Für manche gelten sie noch als Sekte, für andere sind sie eine evangelische Freikirche: die Siebenten-Tags-Adventisten." Mit diesen Worten weist die Redaktion der Zeitschrift „idea-Spektrum" am 5. September auf das „Thema der Woche" hin: „Was Adventisten glauben." „idea" versteht sich als evangelische Nachrichtenagentur auf der theologischen Basis der Evangelischen Allianz. Das „Thema der Woche" wird in Form eines dreiseitigen Interviews mit Pastor Klaus van Treeck, Präsident der Freikirche in Nord- und Ostdeutschland (Norddeutscher Verband, Hannover) und derzeitiger Vorsitzender der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, behandelt (Seite 19-21). Im Vorwort zum Interview werden als „Kennzeichen" der Adventisten das Halten des Sabbats, die Beachtung bestimmter Speisegebote (kein Alkohol, kein Schweinefleisch) sowie die Erwartung der nahen Wiederkunft Jesu genannt. Gerade die Fragen zum Lebensstil scheinen den idea-Reporter Karsten Huhn (und/oder die idea-Leser) besonders zu bewegen. Von den 37 gestellten Fragen befassen sich neun mit Kaffee und Alkohol, Schweinefleisch und dem Rauchen. Aus meiner Sicht ist es bedauerlich, dass Lebensstilelemente, die selbst außerhalb der christlichen Welt immer „normaler" werden (Alkoholabstinenz, Nichtrauchen, gesunde Ernährung), innerhalb der christlich-evangelikalen Welt mit dem Etikett „Speisegebote" versehen werden. Es werden sogar Bibelstellen wie 1. Timotheus 4,3 bemüht, um diese Dinge als mögliche Kennzeichen einer Sekte zu identifizieren.
Beim Thema Sabbat (vier Fragen) kontert der Interviewte auf die Frage „Muss ein Christ den Sabbat halten?" mit der Gegenfrage: „Muss ein Christ die anderen neun Gebote halten?". Er fügt hinzu: „Jeder Christ lebt allein aus der Gnade und hält die Gebote Gottes aus Liebe zu Gott. So ist es auch mit dem Sabbat." Auf das Argument „Fast alle Christen feiern den Sonntag als Ruhetag", erwidert Pastor van Treeck: „Ich glaube, dass es viele Christen gibt, die den Segen des Sabbathaltens noch nicht erlebt haben und sich deshalb der Bedeutung des Sabbats noch nicht bewusst sind. Allerdings macht das Halten des Sabbats niemanden zu einem besseren Christen!"
Geht man davon aus, dass diese „Beschäftigung" mit den Adventisten im Zusammenhang mit den Gesprächen zwischen der Weltweiten Evangelischen Allianz und der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten steht, dann wundert es nicht, dass die meisten Fragen (18) den Fokus auf eine Person und deren Autorität innerhalb der Freikirche legen, nämlich auf deren Mitbegründerin Ellen G. White (1827-1915). Der Interviewer fragt, ob Frau White nicht „ein schwieriges Erbe" für die Adventisten sei. Dazu Klaus van Treeck: „Es kommt darauf an, welches Inspirationsverständnis man von ihren Schriften hat und welchen Stellenwert man ihnen beimisst. Ja, sie können dazu benutzt werden, extreme, unausgewogene Positionen zu belegen. Das geschieht innerhalb und außerhalb unserer Kirche immer wieder. Aus meiner Erfahrung führt Ellen G. White ihre Leser aber zum Studium der Bibel. Zugleich hat sie aber auch Schwächen und Fehler gehabt."
Gegen Schluss des Interviews hakt idea-Reporter Karsten Huhn nach: „Mir scheint, dass Sie hin- und hergerissen sind, ob Sie Ellen G. White nun verehren oder sich von ihr distanzieren sollen." In dieser Frage kommt zum dritten Mal der Begriff „verehren" vor. In der Einleitung und in der Bildunterschrift zum Foto von Ellen G. White heißt es, viele Adventisten würden sie als Prophetin verehren. Hier wird ein Begriff gebraucht, der mir im Zusammenhang mit der (katholischen) Marienverehrung sehr geläufig ist, den ich aber in den über 40 Jahren meines Adventist-Seins noch nie auf Ellen G. White bezogen gelesen oder gehört habe. Die Antwort von Klaus van Treeck macht deutlich, dass nicht die Person Ellen G. White ein Problem darstellt, sondern der Umgang mit ihrem Schrifttum: „Als Freikirche stehen wir in der Spannung, sie als Prophetin zu überhöhen und ihre Werke zu missbrauchen. Oder sie abzulehnen und sie als Teil unserer Geschichte abzuhaken. Ich glaube unsere Aufgabe ist es, ihren Dienst als geistlichen Gewinn zu sehen, ohne sie zu überhöhen oder nur in die Vergangenheit zu verbannen. Wir müssen uns kritisch mit ihr auseinander setzen."
Gerade um dieser Gefahr des Missbrauchs vorzubeugen, aber auch um die Relevanz vieler ihrer Aussagen zu verdeutlichen, hat einer der führenden adventistischen Theologen, Dr. George R. Knight (Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Andrews-Universität in Berrien Springs, Michigan/USA), vier Bücher geschrieben, die als zweibändige Ausgabe im Deutschen erschienen sind: „Ellen White lesen und verstehen" (1998) sowie „Ellen Whites Leben und Welt" (2001).
Obwohl ich mich darüber freue, dass „idea-spektrum" die Adventisten zum „Thema der Woche" gemacht hat, bin ich nicht nur über die Gewichtung der gestellten Fragen (siehe oben) enttäuscht, sondern auch darüber, dass die durch die Titelseite geweckten Erwartungen nicht erfüllt werden. „Was Adventisten glauben" heißt der Aufmacher, doch im Interview fehlt Entscheidendes. Beispielsweise kam das Thema Wiederkunft Jesu viel zu kurz. Und der Untertitel, „Alles über Sabbat, Endzeit, Gesundheit, Prophetie", ist eindeutig zu hoch gegriffen. Ein Grundsatzbeitrag (von wem auch immer) wäre sehr hilfreich gewesen, um Wesentliches zu den genannten Stichworten und anderen relevanten Themen zu verdeutlichen.
Schade auch, dass nicht einmal eine Kontakt- oder Internetadresse (wie www.adventisten.de) genannt wird für alle, die sich ein umfassenderes Bild machen wollen. Nicht einmal ein Literaturhinweis ist enthalten, dabei liegt die 142-seitige Selbstdarstellung der Siebenten-Tags-Adventisten „Christsein heute – Gelebter Glaube" (siehe auch www.christsein-heute.info) seit Mai dieses Jahres der idea-Redaktion in Wetzlar vor.
Nicht dem „Thema der Woche" zugeordnet und von der Meldung über Pornographie unter Christen fast erdrückt, erscheint in der selben Ausgabe auf Seite 14 die Meldung „Evangelische Allianz und Adventisten nähern sich" – höchstwahrscheinlich der Auslöser für das oben besprochene Interview. Bei den Konsultationen zwischen der Weltweiten Evangelischen Allianz und der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten in Prag (2006) und Berrien Springs, Michigan/USA, (August 2007) wurde „ein hohes Maß an theologischer Übereinstimmung" festgestellt.
Dennoch scheint es auch weiterhin notwendig, Ängste abzubauen und Missverständnisse zu klären. Trotz der in Prag und Berrien Springs geführten Gespräche zeigt nicht nur die Fragestellung beim idea-Interview, dass noch ein Weg zurückzulegen ist, um zu einer Begegnung „auf Augenhöhe" zu gelangen. Das kann nur durch Gespräche geschehen, aber auch durch die Zusammenarbeit da, wo sich diese für beide Seiten als segensreich erweist, wie beispielsweise im verlegerischen Bereich. Ellen G. White schrieb, dass Adventisten viel zu lernen und auch viel zu verlernen, also umzudenken und zu revidieren, haben. Ich bin gern dazu bereit und freue mich über jeden Mitchristen, der sich ebenfalls als Lernender begreift.
Elí Diez-Prida
(Hinweis der Redaktion: Pastor Elí Diez-Prida ist der Leiter des Advent-Verlags in Lüneburg.)
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