May 3, 2024, 10:01 PMLothar Scheel
Andacht 04.05.2024
Gedanken zum Thema: Wahrheit
Vermutlich ausgelöst durch eine unbedachte Äußerung meinerseits startet meine Frau einen Angriff auf einen meiner schwächsten Punkte. Wann ich denn endlich mit den längst überfälligen Renovierungsarbeiten beginnen würde? In der Tat habe ich das längst machen wollen, jedoch bislang erfolgreich verdrängt. Da Leugnen nichts helfen würde, entschließe ich mich, ihr rational zu parieren, und fange an zu erklären, was alles so los war in letzter Zeit. Aber ich habe mich verrechnet. Keine Spur von Einsicht und Verständnis. Ganz im Gegenteil: Sie kommt in Fahrt und spielt die emotionale Karte. Ob mir nicht wichtig sei, was ihr wichtig ist? Und außerdem hätte ich mich auch noch nicht um einen Urlaubsplatz gekümmert. Das geht zu weit. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Da ich keine Eskalation will, belasse ich es dabei, mich zu ärgern, und verziehe mich brummelnd an meine Arbeit.
Warum fällt es eigentlich oft so schwer, sich der Wahrheit einfach zu stellen, auch dann, wenn sie peinlich, unangenehm oder herausfordernd ist? Wa-rum hatte ich nicht gleich zugegeben, dass sie ja recht hatte? Freilich sind Reaktionen wie sich zu verteidigen, zu erklären oder die Schuld zu verschieben Abwehrstrategien, um Bloßstellung und Scham zu vermeiden. Wenn solche Muster jedoch über lange Zeit wiederholt ablaufen, wenn sie zur Gewohnheit und zur Grundhaltung, vielleicht sogar krankhaft neurotisch werden, hat man ein Problem – und andere ebenso.
Auch die Menschen im Gefolge des Wanderpredigers Jesus aus Nazareth fanden ihn gut und waren seine Fans, solange er sagte, was sie hören wollten, und tat, was sie von ihm erwarteten. Er mutete ihnen immer wieder auch unangenehme Wahrheiten zu, zum Beispiel dass er nicht ihr Wundertäter und Nationalheld werden, sondern sein Leben opfern und sterben würde. „Sie verstanden aber nicht, was er ihnen damit sagte“ (Joh 10,6), wollten ihn vielleicht auch nicht verstehen. Unbequeme Wahrheiten verträgt man eben nicht so leicht und bleibt darum lieber seiner eigenen Wahrheit, den eigenen Vorstellungen und Träumen treu.
„Die Wahrheit wird euch frei machen“, sagte Jesus seinen Jüngern. Wenn das so ist, warum scheuen wir uns dann vor ihr? Freiheit ist schließlich ein hohes, vielleicht sogar unser höchstes Gut. Und wer will nicht gerne wirklich frei sein?
Zum Bibelvers: Johannes 8,32
© Advent-Verlag Lüneburg mit freundlicher Genehmigung (der Link ist: http://www.advent-verlag.de)
Gedanken zum Thema: Wahrheit
Vermutlich ausgelöst durch eine unbedachte Äußerung meinerseits startet meine Frau einen Angriff auf einen meiner schwächsten Punkte. Wann ich denn endlich mit den längst überfälligen Renovierungsarbeiten beginnen würde? In der Tat habe ich das längst machen wollen, jedoch bislang erfolgreich verdrängt. Da Leugnen nichts helfen würde, entschließe ich mich, ihr rational zu parieren, und fange an zu erklären, was alles so los war in letzter Zeit. Aber ich habe mich verrechnet. Keine Spur von Einsicht und Verständnis. Ganz im Gegenteil: Sie kommt in Fahrt und spielt die emotionale Karte. Ob mir nicht wichtig sei, was ihr wichtig ist? Und außerdem hätte ich mich auch noch nicht um einen Urlaubsplatz gekümmert. Das geht zu weit. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Da ich keine Eskalation will, belasse ich es dabei, mich zu ärgern, und verziehe mich brummelnd an meine Arbeit.
Warum fällt es eigentlich oft so schwer, sich der Wahrheit einfach zu stellen, auch dann, wenn sie peinlich, unangenehm oder herausfordernd ist? Wa-rum hatte ich nicht gleich zugegeben, dass sie ja recht hatte? Freilich sind Reaktionen wie sich zu verteidigen, zu erklären oder die Schuld zu verschieben Abwehrstrategien, um Bloßstellung und Scham zu vermeiden. Wenn solche Muster jedoch über lange Zeit wiederholt ablaufen, wenn sie zur Gewohnheit und zur Grundhaltung, vielleicht sogar krankhaft neurotisch werden, hat man ein Problem – und andere ebenso.
Auch die Menschen im Gefolge des Wanderpredigers Jesus aus Nazareth fanden ihn gut und waren seine Fans, solange er sagte, was sie hören wollten, und tat, was sie von ihm erwarteten. Er mutete ihnen immer wieder auch unangenehme Wahrheiten zu, zum Beispiel dass er nicht ihr Wundertäter und Nationalheld werden, sondern sein Leben opfern und sterben würde. „Sie verstanden aber nicht, was er ihnen damit sagte“ (Joh 10,6), wollten ihn vielleicht auch nicht verstehen. Unbequeme Wahrheiten verträgt man eben nicht so leicht und bleibt darum lieber seiner eigenen Wahrheit, den eigenen Vorstellungen und Träumen treu.
„Die Wahrheit wird euch frei machen“, sagte Jesus seinen Jüngern. Wenn das so ist, warum scheuen wir uns dann vor ihr? Freiheit ist schließlich ein hohes, vielleicht sogar unser höchstes Gut. Und wer will nicht gerne wirklich frei sein?
Zum Bibelvers: Johannes 8,32
© Advent-Verlag Lüneburg mit freundlicher Genehmigung (der Link ist: http://www.advent-verlag.de)
