22. Nov. 2009 09:16APD
110 Jahre theologische Ausbildungsstätte der Adventisten in Friedensau - Teil 2
Politische Wende und staatliche Anerkennung als Hochschule
Die politische Wende vor zwanzig Jahren im November 1989 eröffnete in vielen Bereichen ganz unerwartet neue Perspektiven. Die ersten freien Wahlen für die DDR-Volkskammer wurden für den 18.März 1990 angesetzt. In ihrem Wahlprogramm hatte die CDU (DDR) auch eine nachträgliche Anerkennung kirchlicher Ausbildungsprogramme in Aussicht gestellt. Das sollte auf Antrag und nach entsprechender Prüfung durch das Ministerium für Wissenschaft und Bildung geschehen – vorausgesetzt die Ausbildung entspräche dem Niveau der staatlichen Fach- und Hochschulen.
Nach der Wahl der neuen Regierung unter Lothar de Maizière Anfang April 1990 wandte sich der damalige Friedensauer Seminardirektor Dr. Manfred Böttcher mit dem Anliegen um staatliche Anerkennung in einem Schreiben an Professor Dr. Hans Joachim Meyer, der als Minister für Bildung und Wissenschaft ins ostdeutsche Kabinett berufen wurde. Umgehend antwortete er und erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft zur Prüfung eines möglichen Antrages. Zu diesem Zweck bot er ein Gespräch mit dem zuständigen Abteilungsleiter in seinem Ministerium in Berlin (Ost) zur Klärung der notwendigen Sachfragen an, das wenige Tage später stattfand.
Zugleich nahm die Seminarleitung Kontakt mit den Sektionsleitern für Theologie an den DDR-Universitäten auf, die durch Gastvorlesungen das Friedensauer Theologische Seminar kennen gelernt hatten, und bat sie um freundliche Unterstützung des Antrages auf staatliche Anerkennung. Da sich die Wiedervereinigung in absehbare Zeit abzeichnete, bemühte sich die Seminarleitung zugleich um ein Konsultationsgespräch mit dem Minister für Kultur und Wissenschaft des Landes Niedersachsen. Bereits zwei Wochen später, Anfang Juni 1990, fand es in Hannover statt. Nach eingehender Darstellung der Ausbildung in Friedensau nahm der Minister Einblick in die mitgebrachten Unterlagen über das Studium am Theologischen Seminar. Abschließend machte er den Vorschlag, auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes der Bundesrepublik eine Anerkennung als Theologische Hochschule zunächst ohne Promotionsrecht anzustreben und bot dazu seine fachliche Unterstützung an. Über alle diese Schritte hielt die Seminarleitung engen Kontakt mit der europäischen Kirchenleitung der Adventisten in Bern. Sie ermutigte zur Antragstellung auf staatliche Anerkennung.
Die folgenden Wochen beschäftigten Seminarleitung und Dozenten voll mit der Erarbeitung der umfangreichen Antragsunterlagen. Dazu gehörten unter anderem auch ein Abriss über die Entwicklung der Friedensauer Bildungseinrichtung in der zurückliegenden Zeit sowie Beschreibungen über Inhalte der Studienfächer. Angaben über den Lehrkörper und die Bibliothek sowie Einzelheiten zum Lehrprogramm mit den erforderlichen Literaturhinweisen und Informationen über die von den Studenten geforderten Leistungsnachweise wurden ebenfalls beigefügt. Noch Ende Juni gelang es, die Dokumentation mit allen Anlagen dem Ministerium in Berlin persönlich zu übergeben. Eine wohlwollende Prüfung wurde zugesagt, jedoch darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung auch vom Votum der Hochschulrektoren-Konferenz der DDR abhängig sein werde. Dabei fielen unter anderem die ständigen Bemühungen zur Anhebung des Studienniveaus, sowie die in Friedensau beachtliche Zahl ausländischer Studenten ins Gewicht.
Nach Beratung im DDR-Ministerrat unterschrieb am 10. September 1990 der Minister für Bildung und Wissenschaft die Urkunde, die Friedensau den Status einer staatlich anerkannten Theologischen Hochschule mit Wirkung vom 15. September 1990 verlieh. Da in der Bundesrepublik die Bildungshoheit Sache der Länder ist, war es nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 erforderlich, um die Bestätigung der erteilten staatlichen Anerkennung durch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt nachzusuchen, die dann Anfang 1991 ebenso erteilt wurde. Daraufhin beschloss am 17. April 1991 der Ausschuss der europäischen Freikirchenleitung in Bern, die Theologische Hochschule Friedensau als einzige adventistische Pastoren-Ausbildungsstätte für das vereinte Deutschland weiterzuführen. Das Theologische Seminar Marienhöhe, Darmstadt, wurde geschlossen.
Während der DDR-Zeit haben nahezu 300 Friedensauer Absolventen den Dienst als Pastoren in den Adventgemeinden Ostdeutschlands aufgenommen und mehr als tausend Jugendliche den einjährigen Diakonlehrgang abgeschlossen. Rückblickend kann sich keiner vorstellen, wie die Gemeinden der DDR ohne Friedensau diese Zeit hätten bewältigen können.
Mit der Wiedervereinigung gehört Friedensau wieder wie zur Gründerzeit allen adventistischen Gemeinden in Deutschland. Neue Perspektiven haben sich damit für Hochschule und Freikirche aufgetan. Der Studiengang "Christliches Sozialwesen" wurde hinzugefügt. Durch intensive Forschungsarbeiten ihrer Institute und wissenschaftliche Publikationen festigte Friedensau seinen Ruf unter den Hochschulen in Sachsen-Anhalt. Seit dem Bestehen als Hochschule haben mehr als 500 Studenten ihren Dienst in den Gemeinden als Pastoren aufgenommen und über 600 Studenten sind in den sozialen Dienst im In- und Ausland getreten. Viel Neues ist geworden. Die Lebens- und Studienbedingungen haben sich entscheidend verbessert. Die Hochschule Friedensau ist Mitglied in der Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt, war die erste Hochschule im Land mit akkreditierten Studiengängen um im Rahmen des Bologna-Prozesses europaweit vergleichbare Masterstudiengänge zu haben, und greift die Perspektiven für die Zukunft auf. Zwei Masterstudiengänge werden in englischer Sprache durchgeführt. Im nächsten Jahr beginnt ein Studiengang für Pflege- und Gesundheitswissenschaften in Kooperation mit dem Berliner Krankenhaus "Waldfriede". Ein Gesundheitszentrum ist in Planung. Friedensau hat mit seiner staatlichen Anerkennung durch Kooperationen mit den adventistischen theologischen Ausbildungsstätten in Collonges/Frankreich und Sazawa/Tschechien auch diesen Seminaren die Anerkennung ihrer Abschlüsse ermöglicht und unterhält Beziehungen zu anderen internationalen adventistischen und nicht-adventistischen Universitäten.
Dr. Manfred Böttcher
(Hinweis der Redaktion: Dr. h. c. Manfred Böttcher war von 1969 bis 1982 Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten in der DDR und von 1982 bis 1991 Rektor der späteren Theologischen Hochschule Friedensau.)
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Der Text kann kostenlos genutzt werden. Veröffentlichung nur mit Quellenangabe "APD" gestattet!
Politische Wende und staatliche Anerkennung als Hochschule
Die politische Wende vor zwanzig Jahren im November 1989 eröffnete in vielen Bereichen ganz unerwartet neue Perspektiven. Die ersten freien Wahlen für die DDR-Volkskammer wurden für den 18.März 1990 angesetzt. In ihrem Wahlprogramm hatte die CDU (DDR) auch eine nachträgliche Anerkennung kirchlicher Ausbildungsprogramme in Aussicht gestellt. Das sollte auf Antrag und nach entsprechender Prüfung durch das Ministerium für Wissenschaft und Bildung geschehen – vorausgesetzt die Ausbildung entspräche dem Niveau der staatlichen Fach- und Hochschulen.
Nach der Wahl der neuen Regierung unter Lothar de Maizière Anfang April 1990 wandte sich der damalige Friedensauer Seminardirektor Dr. Manfred Böttcher mit dem Anliegen um staatliche Anerkennung in einem Schreiben an Professor Dr. Hans Joachim Meyer, der als Minister für Bildung und Wissenschaft ins ostdeutsche Kabinett berufen wurde. Umgehend antwortete er und erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft zur Prüfung eines möglichen Antrages. Zu diesem Zweck bot er ein Gespräch mit dem zuständigen Abteilungsleiter in seinem Ministerium in Berlin (Ost) zur Klärung der notwendigen Sachfragen an, das wenige Tage später stattfand.
Zugleich nahm die Seminarleitung Kontakt mit den Sektionsleitern für Theologie an den DDR-Universitäten auf, die durch Gastvorlesungen das Friedensauer Theologische Seminar kennen gelernt hatten, und bat sie um freundliche Unterstützung des Antrages auf staatliche Anerkennung. Da sich die Wiedervereinigung in absehbare Zeit abzeichnete, bemühte sich die Seminarleitung zugleich um ein Konsultationsgespräch mit dem Minister für Kultur und Wissenschaft des Landes Niedersachsen. Bereits zwei Wochen später, Anfang Juni 1990, fand es in Hannover statt. Nach eingehender Darstellung der Ausbildung in Friedensau nahm der Minister Einblick in die mitgebrachten Unterlagen über das Studium am Theologischen Seminar. Abschließend machte er den Vorschlag, auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes der Bundesrepublik eine Anerkennung als Theologische Hochschule zunächst ohne Promotionsrecht anzustreben und bot dazu seine fachliche Unterstützung an. Über alle diese Schritte hielt die Seminarleitung engen Kontakt mit der europäischen Kirchenleitung der Adventisten in Bern. Sie ermutigte zur Antragstellung auf staatliche Anerkennung.
Die folgenden Wochen beschäftigten Seminarleitung und Dozenten voll mit der Erarbeitung der umfangreichen Antragsunterlagen. Dazu gehörten unter anderem auch ein Abriss über die Entwicklung der Friedensauer Bildungseinrichtung in der zurückliegenden Zeit sowie Beschreibungen über Inhalte der Studienfächer. Angaben über den Lehrkörper und die Bibliothek sowie Einzelheiten zum Lehrprogramm mit den erforderlichen Literaturhinweisen und Informationen über die von den Studenten geforderten Leistungsnachweise wurden ebenfalls beigefügt. Noch Ende Juni gelang es, die Dokumentation mit allen Anlagen dem Ministerium in Berlin persönlich zu übergeben. Eine wohlwollende Prüfung wurde zugesagt, jedoch darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung auch vom Votum der Hochschulrektoren-Konferenz der DDR abhängig sein werde. Dabei fielen unter anderem die ständigen Bemühungen zur Anhebung des Studienniveaus, sowie die in Friedensau beachtliche Zahl ausländischer Studenten ins Gewicht.
Nach Beratung im DDR-Ministerrat unterschrieb am 10. September 1990 der Minister für Bildung und Wissenschaft die Urkunde, die Friedensau den Status einer staatlich anerkannten Theologischen Hochschule mit Wirkung vom 15. September 1990 verlieh. Da in der Bundesrepublik die Bildungshoheit Sache der Länder ist, war es nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 erforderlich, um die Bestätigung der erteilten staatlichen Anerkennung durch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt nachzusuchen, die dann Anfang 1991 ebenso erteilt wurde. Daraufhin beschloss am 17. April 1991 der Ausschuss der europäischen Freikirchenleitung in Bern, die Theologische Hochschule Friedensau als einzige adventistische Pastoren-Ausbildungsstätte für das vereinte Deutschland weiterzuführen. Das Theologische Seminar Marienhöhe, Darmstadt, wurde geschlossen.
Während der DDR-Zeit haben nahezu 300 Friedensauer Absolventen den Dienst als Pastoren in den Adventgemeinden Ostdeutschlands aufgenommen und mehr als tausend Jugendliche den einjährigen Diakonlehrgang abgeschlossen. Rückblickend kann sich keiner vorstellen, wie die Gemeinden der DDR ohne Friedensau diese Zeit hätten bewältigen können.
Mit der Wiedervereinigung gehört Friedensau wieder wie zur Gründerzeit allen adventistischen Gemeinden in Deutschland. Neue Perspektiven haben sich damit für Hochschule und Freikirche aufgetan. Der Studiengang "Christliches Sozialwesen" wurde hinzugefügt. Durch intensive Forschungsarbeiten ihrer Institute und wissenschaftliche Publikationen festigte Friedensau seinen Ruf unter den Hochschulen in Sachsen-Anhalt. Seit dem Bestehen als Hochschule haben mehr als 500 Studenten ihren Dienst in den Gemeinden als Pastoren aufgenommen und über 600 Studenten sind in den sozialen Dienst im In- und Ausland getreten. Viel Neues ist geworden. Die Lebens- und Studienbedingungen haben sich entscheidend verbessert. Die Hochschule Friedensau ist Mitglied in der Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt, war die erste Hochschule im Land mit akkreditierten Studiengängen um im Rahmen des Bologna-Prozesses europaweit vergleichbare Masterstudiengänge zu haben, und greift die Perspektiven für die Zukunft auf. Zwei Masterstudiengänge werden in englischer Sprache durchgeführt. Im nächsten Jahr beginnt ein Studiengang für Pflege- und Gesundheitswissenschaften in Kooperation mit dem Berliner Krankenhaus "Waldfriede". Ein Gesundheitszentrum ist in Planung. Friedensau hat mit seiner staatlichen Anerkennung durch Kooperationen mit den adventistischen theologischen Ausbildungsstätten in Collonges/Frankreich und Sazawa/Tschechien auch diesen Seminaren die Anerkennung ihrer Abschlüsse ermöglicht und unterhält Beziehungen zu anderen internationalen adventistischen und nicht-adventistischen Universitäten.
Dr. Manfred Böttcher
(Hinweis der Redaktion: Dr. h. c. Manfred Böttcher war von 1969 bis 1982 Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten in der DDR und von 1982 bis 1991 Rektor der späteren Theologischen Hochschule Friedensau.)
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