2. Jan. 2024 23:01Rolf Pöhler
Andacht 03.01.2024
Gedanken zum Thema: Befreiung
Vanessa Münstermann drehte gerade die morgendliche Runde mit ihrer Hündin, als plötzlich ihr Ex-Freund aus dem Gebüsch sprang, ihr aus einer kleinen Flasche eine Flüssigkeit ins Gesicht kippte und wegrannte. Es handelte sich um Schwefelsäure, die innerhalb von Sekunden ihre linke Gesichtshälfte samt Nervenzellen verätzte. Zwei Wochen lag sie im Koma und schwebte in Lebensgefahr.
Nach 30 Operationen ist die linke Gesichtshälfte immer noch „grottenhässlich“, so Vanessa. Die Haut ist bis zum Dekolleté verätzt, Ohr und Auge gibt es nicht mehr. Wie kommt eine 26-jährige gelernte Kosmetikerin damit zurecht? Hiobs Selbstbeschreibung könnte auch über ihrer tragischen Erfahrung stehen.
Umso erstaunlicher ist, wie Vanessa Münstermann mit ihrem Schicksal umgeht. Eine Welle von Liebe und Unterstützung trug sie durch die erste Zeit. Ihre Narbe lässt sie durch ein tätowiertes Blumenmandala verschönern. Sie hat ihre Jugendliebe wiedergetroffen, sie haben geheiratet und eine Tochter bekommen. Im Rückblick schreibt die inzwischen 33-Jährige:
„Heute bin ich glücklicher als vor dem Angriff […] Früher habe ich mein Glück außen gesucht und dachte, ich fände es darin, schön zu sein. Genau das Gegenteil passierte. Schönsein bedeutete, ständig im Konkurrenzkampf zu stehen. Je besser ich aussah, desto leerer fühlte ich mich […] Und dann, plötzlich, konnte ich nicht mehr schön sein. Trotz allen Leids fühlt sich das heute an wie eine große Befreiung.“ (Die Zeit, 10.2.2022)
Was ist Glück? Schönheit, Reichtum, Erfolg? Oder Dankbarkeit, Zufriedenheit, Freude an dem, was man hat, statt Enttäuschung über das, was man nicht hat? Unsere Einstellung bestimmt zu einem guten Teil darüber, wie glücklich oder unglücklich wir sind.
Wer Unrecht durch andere erleidet, sieht sich als Opfer und ist es auch. Doch wenn es gelingt, sich im Laufe der Zeit der Opferrolle zu entziehen und das Leben selbstbestimmt neu zu gestalten, dann fühlt es sich an „wie eine große Befreiung“. Hiob durfte dies in der Begegnung mit Gott erleben (Hiob 38–42); Vanessa erfuhr menschliche Unterstützung und Liebe. Und wir?
© Advent-Verlag Lüneburg mit freundlicher Genehmigung (der Link ist: http://www.advent-verlag.de)
Gedanken zum Thema: Befreiung
Vanessa Münstermann drehte gerade die morgendliche Runde mit ihrer Hündin, als plötzlich ihr Ex-Freund aus dem Gebüsch sprang, ihr aus einer kleinen Flasche eine Flüssigkeit ins Gesicht kippte und wegrannte. Es handelte sich um Schwefelsäure, die innerhalb von Sekunden ihre linke Gesichtshälfte samt Nervenzellen verätzte. Zwei Wochen lag sie im Koma und schwebte in Lebensgefahr.
Nach 30 Operationen ist die linke Gesichtshälfte immer noch „grottenhässlich“, so Vanessa. Die Haut ist bis zum Dekolleté verätzt, Ohr und Auge gibt es nicht mehr. Wie kommt eine 26-jährige gelernte Kosmetikerin damit zurecht? Hiobs Selbstbeschreibung könnte auch über ihrer tragischen Erfahrung stehen.
Umso erstaunlicher ist, wie Vanessa Münstermann mit ihrem Schicksal umgeht. Eine Welle von Liebe und Unterstützung trug sie durch die erste Zeit. Ihre Narbe lässt sie durch ein tätowiertes Blumenmandala verschönern. Sie hat ihre Jugendliebe wiedergetroffen, sie haben geheiratet und eine Tochter bekommen. Im Rückblick schreibt die inzwischen 33-Jährige:
„Heute bin ich glücklicher als vor dem Angriff […] Früher habe ich mein Glück außen gesucht und dachte, ich fände es darin, schön zu sein. Genau das Gegenteil passierte. Schönsein bedeutete, ständig im Konkurrenzkampf zu stehen. Je besser ich aussah, desto leerer fühlte ich mich […] Und dann, plötzlich, konnte ich nicht mehr schön sein. Trotz allen Leids fühlt sich das heute an wie eine große Befreiung.“ (Die Zeit, 10.2.2022)
Was ist Glück? Schönheit, Reichtum, Erfolg? Oder Dankbarkeit, Zufriedenheit, Freude an dem, was man hat, statt Enttäuschung über das, was man nicht hat? Unsere Einstellung bestimmt zu einem guten Teil darüber, wie glücklich oder unglücklich wir sind.
Wer Unrecht durch andere erleidet, sieht sich als Opfer und ist es auch. Doch wenn es gelingt, sich im Laufe der Zeit der Opferrolle zu entziehen und das Leben selbstbestimmt neu zu gestalten, dann fühlt es sich an „wie eine große Befreiung“. Hiob durfte dies in der Begegnung mit Gott erleben (Hiob 38–42); Vanessa erfuhr menschliche Unterstützung und Liebe. Und wir?
© Advent-Verlag Lüneburg mit freundlicher Genehmigung (der Link ist: http://www.advent-verlag.de)
