Andacht 05.08.2023
Bildnachweis: Pexels, Pixabay
Bibel
Glauben

4. Aug. 2023 22:01Lothar Reiche

Andacht 05.08.2023

Gedanken zum Thema: Gerede

1953 wohnte ich zur Untermiete in einem Zimmer in Erfurt. Die schlimmen Erlebnisse des Krieges waren noch sehr nah. Ich war ledig. Um das Alleinsein erträglicher zu machen, kaufte ich mir ein Radio. Erstaunlich, dass es so etwas schon wieder gab.

Eines Tages fesselte mich ein Hörbild. Zwei Herren, beide Mediziner, sprachen über die Bergpredigt: „Selig sind die Barmherzigen.“ (Mt 5,7) „Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.“ (V. 42) Die Kommentare der beiden Männer zu diesen Worten Jesu waren ausgezeichnet.

Da hörte man es an der Tür klopfen. Der Hausherr ging, um zu öffnen. Man vernahm eine freundliche Begrüßung. Wer war gekommen? Ein Studienfreund. Natürlich wurde er herzlich hereingebeten. Die Frage, wie der andere den Krieg überstanden hatte, war damals noch sehr aktuell. Der Besucher hatte alles verloren. Der Besuchte hingegen alles behalten. Letzterer stellte schließlich die Frage: „Und was willst du jetzt machen?“ – „Kann ich bei dir bleiben?“ – „Ja, du kannst zum Abendbrot bei uns bleiben.“ Doch der Freund wollte nicht nur einen Abend lang bleiben. Er hoffte, von hier aus nach den Seinen suchen zu können und sich eine neue Existenz aufzubauen.

Als dem Hausherrn dieses Ansinnen bewusst wurde, veränderte sich seine Haltung. Das Gespräch wurde spröde und der freundlich Begrüßte wurde am Ende unfreundlich abgewiesen.

Danach wandte sich der Hausherr wieder seinem Gesprächspartner zu, redete von Aufdringlichkeit:

„Mein Haus ist doch keine Herberge für Heimatlose! Doch vergessen wir die Störung, wo waren wir denn stehen geblieben?“ Da wurde ihm bewusst, dass er das mit Worten lautstark Geforderte soeben nicht getan hatte, und er schrie enttäuscht über sich selbst: „Es ist unser ganzes Gerede nichts weiter als Geschwätz, frommes Geschwätz!“

Wir haben in der Bibel eine wunderbare Theorie, die wir hören und bejahen und doch oft so mangelhaft leben. Lasst uns keine frommen Schwätzer sein, sondern ein offenes Ohr, offene Arme und offene Häuser haben.

Zum Bibelvers: Jakobus 1,22

© Advent-Verlag Lüneburg mit freundlicher Genehmigung (der Link ist: http://www.advent-verlag.de)