7. Feb. 2024 23:01Sylvia Renz
Andacht 08.02.2024
Vorsetzung vom 06.02. und 07.02.2024
Fortsetzung: Ein ganzes Jahr lang hatte ich durch unsere amerikanischen Gäste viele Gelegenheiten zum Englischlernen. Dass ich ausgerechnet an den Samstagen, an denen ich den Englischunterricht in der Schule versäumte, ständig Englisch hören und reden konnte, war für mich ein echtes Geschenk. Da ich mich immer besser in dieser Sprache zu Hause fühlte, begann ich auch Englisch zu lesen und eignete mir ganz nebenbei die Grammatik und einen größeren Wortschatz an. Das machte Spaß! Trotzdem hatte ich ab und zu ein mulmiges Gefühl, wenn ich an die Drohung des Englischlehrers dachte, denn er hatte mein Durchfallen „vorprogrammiert“. Da half nur höhere Gewalt – und darauf vertraute ich.
Dann kam der Prüfungstag. Triumphierend überreichte mir Herr R. zwei DIN-A4-Blätter: ein Auszug aus den berühmten Screwtape Letters von C. S. Lewis. Das war kompliziertes Englisch in kunstvoll konstruierten Sätzen, gespickt mit philosophischem Gedankengut. Viele dieser Wörter hatte ich noch nie zuvor gehört oder gelesen. Ich sollte mich nun 20 Minuten lang vorbereiten und dann mit ihm über den Inhalt diskutieren – natürlich auf Englisch!
Das hätte ich nie und nimmer geschafft, wenn mir nicht zwei Wochen vorher ausgerechnet dieses Buch auf Deutsch in die Hände gefallen wäre. Ich hatte es gerade bis zu diesem Kapitel gelesen, und das gleich dreimal, weil es mir so gut gefiel. Nun schickte ich ein dickes „Danke schön!“ nach oben und konnte mich 20 Minuten lang gezielt auf Herrn R.s ironische Denkweise einstellen. Und dann ging es zu wie beim Pingpong: seine spitzfindige Frage, meine schlagfertige Antwort (die mir der Herr einflüsterte!), bis die anderen Prüfer lachten, anerkennend nickten und er mir zähneknirschend eine Zwei plus geben musste; die glatte Eins hatte ich wegen meines „schauderhaften kalifornischen Akzents“ verwirkt. Nachher auf dem Schulflur rief er mich zu sich und fragte: „Wieso können Sie denn auf einmal so gut Englisch?“ Ich erzählte von meinen amerikanischen Nachhilfelehrern und meiner Lektüre der deutschen Fassung der Screwtape Letters. Er schüttelte den Kopf. Und ich dachte: „Das hat mir Gott wirklich zufallen lassen!“ Leider ist Herr R. sechs Monate später an Krebs verstorben. Vielleicht hat ihn dieser „Zufall“ doch noch einmal zum Nachdenken gebracht? Ich habe dafür gebetet …
© Advent-Verlag Lüneburg mit freundlicher Genehmigung (der Link ist: http://www.advent-verlag.de)
Vorsetzung vom 06.02. und 07.02.2024
Fortsetzung: Ein ganzes Jahr lang hatte ich durch unsere amerikanischen Gäste viele Gelegenheiten zum Englischlernen. Dass ich ausgerechnet an den Samstagen, an denen ich den Englischunterricht in der Schule versäumte, ständig Englisch hören und reden konnte, war für mich ein echtes Geschenk. Da ich mich immer besser in dieser Sprache zu Hause fühlte, begann ich auch Englisch zu lesen und eignete mir ganz nebenbei die Grammatik und einen größeren Wortschatz an. Das machte Spaß! Trotzdem hatte ich ab und zu ein mulmiges Gefühl, wenn ich an die Drohung des Englischlehrers dachte, denn er hatte mein Durchfallen „vorprogrammiert“. Da half nur höhere Gewalt – und darauf vertraute ich.
Dann kam der Prüfungstag. Triumphierend überreichte mir Herr R. zwei DIN-A4-Blätter: ein Auszug aus den berühmten Screwtape Letters von C. S. Lewis. Das war kompliziertes Englisch in kunstvoll konstruierten Sätzen, gespickt mit philosophischem Gedankengut. Viele dieser Wörter hatte ich noch nie zuvor gehört oder gelesen. Ich sollte mich nun 20 Minuten lang vorbereiten und dann mit ihm über den Inhalt diskutieren – natürlich auf Englisch!
Das hätte ich nie und nimmer geschafft, wenn mir nicht zwei Wochen vorher ausgerechnet dieses Buch auf Deutsch in die Hände gefallen wäre. Ich hatte es gerade bis zu diesem Kapitel gelesen, und das gleich dreimal, weil es mir so gut gefiel. Nun schickte ich ein dickes „Danke schön!“ nach oben und konnte mich 20 Minuten lang gezielt auf Herrn R.s ironische Denkweise einstellen. Und dann ging es zu wie beim Pingpong: seine spitzfindige Frage, meine schlagfertige Antwort (die mir der Herr einflüsterte!), bis die anderen Prüfer lachten, anerkennend nickten und er mir zähneknirschend eine Zwei plus geben musste; die glatte Eins hatte ich wegen meines „schauderhaften kalifornischen Akzents“ verwirkt. Nachher auf dem Schulflur rief er mich zu sich und fragte: „Wieso können Sie denn auf einmal so gut Englisch?“ Ich erzählte von meinen amerikanischen Nachhilfelehrern und meiner Lektüre der deutschen Fassung der Screwtape Letters. Er schüttelte den Kopf. Und ich dachte: „Das hat mir Gott wirklich zufallen lassen!“ Leider ist Herr R. sechs Monate später an Krebs verstorben. Vielleicht hat ihn dieser „Zufall“ doch noch einmal zum Nachdenken gebracht? Ich habe dafür gebetet …
© Advent-Verlag Lüneburg mit freundlicher Genehmigung (der Link ist: http://www.advent-verlag.de)