Andacht 10. Mai 2025
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Bibel
Glauben

9. Mai 2025 22:01Rolf Pöhler

Andacht 10. Mai 2025

Gedanken zum Thema: Anrede

Jedes Gebet verdient eine passende Anrede; jedenfalls dann, wenn andere mithören oder mitbeten sollen. Die Anrede sagt etwas darüber, wer der andere ist, was er uns bedeutet und wie unser Verhältnis zu ihm aussieht. Sie stellt die Weichen, bestimmt den Ton und zeigt an, wie die weitere Kommunikation wohl verlaufen wird.

Das Vaterunser hat seinen Namen von den einleitenden Worten, wie sie Matthäus überliefert: „Unser Vater im Himmel!“ Lukas verkürzt die Anrede auf ein Wort: „Vater!“ Gehaltvoller und persönlicher kann man Gott nicht anreden. Er ist unser Vater, weil Jesus seine Nachfolger – also „wer den Willen tut meines Vaters im Himmel“ – als seine Schwestern und Brüder ansieht (Mt 12,48-50) und sie somit auch Gottes Kinder sind.

Als seine Geschöpfe sind wir alle Kinder Gottes (Apg 17,28-29). Jedoch gilt diese Bezeichnung in besonderer Weise für die Menschen, „die an seinen [Jesu] Namen glauben“ und „aus Gott geboren sind“ (Joh 1,12-13). Die Anrede „unser Vater“ drückt ein besonderes Verhältnis zu Gott aus, das sich aus der persönlichen Beziehung zu Jesus ergibt. Wer ihm folgt, gehört nicht nur zur Menschheitsfamilie, sondern auch zur Familie Gottes und hat Anrecht auf das ewige Leben in seinem Reich.

Jesus selbst hatte Gott mit „mein Vater“ angeredet, was in seiner einzigartigen Rolle als Sohn begründet lag. Nach Markus gebrauchte er auch das Wort Abba, das das Gefühl enger Vertrautheit und kindlichen Respekts vermittelt (Mk 14,36). In diesem Sinn hat auch Paulus den Begriff als Gebetsruf verwendet: „Abba, lieber Vater!“ (Röm 8,15; Gal 4,6), was auf seinen Gebrauch in der urchristlichen Gemeinde schließen lässt. Christen sehen in Gott ihren Vater.

Was aber ist mit denen, die aufgrund überstrenger Erziehung, Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen beim Wort Vater zusammenzucken und von negativen Erinnerungen geplagt werden? Ihnen fällt es schwer, Gott als Vater anzureden. Sie dürfen darauf hoffen, dass die Bilder in ihrem Kopf nach und nach von anderen überlagert werden, die dem liebevollen Vaterbild Jesu entsprechen. Vielleicht erleben sie, was Stephanus erlebte: Er „sah auf zum Himmel und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus stehen zur Rechten Gottes“ (Apg 7,55). Wer auf Jesus schaut, sieht Gottes wahres Gesicht: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh 14,9).

Zum Bibelvers: Matthäus 6,9

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